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Dokumentarisch
Flori (2019)
Zwei Tage habe ich Flori auf dem Bau begleitet. Er fährt Beton in Berlin für ein Sub-Sub-Unternehmen. Der Job ist hart, das Klima rau. Viele Arbeiter aus dem osteuropäischen Ausland, keine Frauen. Ein Hitlergruß auf dem Mischplatz. Keiner sagt was. Die Whatsappgruppe voll mit rechten Inhalten, keiner sagt was. 6:30 Uhr: Darek fährt mit Fahne. Keiner sagt was. Der Mischmeister schikaniert die Fahrer. Keiner sagt was. Die Bezahlung ist unter aller Kanone, aber keiner sagt was. Warum auch?
Timo Dege (2018)
Timo verkauft in der U8 Kunst. Ich habe ihn da regelmäßig getroffen. Jetzt habe ich ein selbstgebundenes Buch von ihm. Alle seine Gedichte sind wirr, aber die sanfte Stimme ist mir sympathisch. Wir trinken einen Kaffe. Der Typ ist homophob, Paul Celan sein Vorbild. Er lässt sich "im Untergrund" von mir fotografieren. Abstecher im BVG-Kundenbüro Jannowitzbrücke, da ist noch ein EBE fällig, aber die Schlange ist zu lang. Timo muss runterkommen, wir gehen zu ihm nach Hause, er raucht seinen Stoff und schreibt einen Brief an die Eltern. Seine Wohnung erinnert mich an Trainspotting. Draußen erzählt er mir von Frauenstimmen in seinem Kopf. Die erzählen "nur Scheiße". Timo hasst Frauen und verschwindet in einer Bar.
"ABER"!!
"ICH! LIEGE!!!, NEBEN
DEN VERSUCHEN,
UEBERLEBENSLANG-
HINAUS !!, ZWISCHEN!!
DEN! HAENDEN
UND BEINEN,
MEINES TAGES,
OHNE SEIN."
BYxe (2018)
Als ich mir Ohrlöcher stechen lassen habe, bin ich fast umgekippt. Die Piercer*innen kriegen Geld dafür, dass die anderen wehtun. wtf. Da mache ich eine Reihe drüber. Mein Piercer wollte nicht. Wenn man "Berlin Piercing" googelt, landet man bei Byxe, der fand die Idee voll cool. Und hat mir dann ein Helix verpasst.
Kerstin (2019)
Kerstin wohnt im Viertel, in dem ich aufgewachsen war. Die ist unter der braunen Masse immer rausgestochen, nicht nur weil sie humpelt, sondern auch weil sie den buntesten Garten vor der Wohnung hat. Ich klingel bei ihr, wir kennen uns gar nicht. Ich habe von der Filmuni eine Fotoaufgabe bekommen: "Meine unbekannte Nachbar*in". Kerstin ist dabei. Sie ist seit gestern aus ihrer depressiven Phase raus. Wir kaufen e-liquid, am Tag drauf gibt's Frühstück zusammen. zwischendrin erzählt sie mir von ihren drei Verkehrsunfällen, dass sie im Koma lag und wie man ihr das Sorgerecht für ihren zwei Jahre alten Sohn entzogen hat. Das Jugendamt hat es nicht gut gemeint. Aber diesen Sommer, zwölf Jahre später, werden sich die beiden wieder sehen.
Mandy (2019)
Hier durfte ich bei einer Behandlungssitzung zur dauerhaften Gesichtshaarentfernung dabei sein. Mandy hat sich erst spät als Trans geoutet. Rückhalt der Familie gab es keinen. Aber für sie ist das kein Thema: ihr Fokus liegt woanders: Mandy ist City Guide, hat sich aus dem nichts eine eigene Schuhkollektion kreiert, verkaufte Stiefel in Übergröße für Frauen auf der Venus Messe und bietet Fetisch-Workshops in ihrem eigenen Studio an.
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